Stress und Burnout am Arbeitsplatz vorbeugen

Mein Interview in SWR1 Arbeitsplatz:

Wir steigen direkt mal mit einer Quizfrage ein: Wer hilft euch, wenn ihr euch auf der Arbeit verletzt?

Im besten Fall natürlich der oder die nächstbeste Ersthelferin. Das sollten, je nach Betrieb, so etwa 10 % der anwesenden Belegschaft sein.

Wie ist das aber bei psychischen Problemen?

Also Stress, möglicherweise Burnout und so weiter. Wer ist da ansprechbar, bevor es um so ernsthafte Probleme geht, dass es gleich eine Krankschreibung braucht?

Wir haben ein Unternehmen besucht, das genau für solche Fälle inzwischen einige sogenannte psychische Ersthelfer einsetzt. Wie das ankommt und was wir selber tun können, um Stress besser in den Griff zu kriegen, darüber sprechen wir heute.

Stress, Burnout, Depressionen, Angststörungen…

Probleme der psychischen Gesundheit nehmen drastisch zu.

Das zeigen zuletzt z.B. immer wieder Zahlen der Krankenkassen. Was auch nichts anderes heißt als: Auch die Zahl der Krankheitstage ist drastisch gestiegen.

Damit es gar nicht erst zu Ausfällen kommt, gibt es immer mehr ganz niederschwellige Angebote zur Vorbeugung.

So setzen inzwischen z.B. einige Unternehmen sogenannte psychische Ersthelfer ein. Also einfach Kolleginnen und Kollegen, die bei Problemen ansprechbar sind und dann informiert weiterhelfen können.

Unser SW1 Arbeitsplatz-Reporter Wolfgang Brauer hat sich das Konzept zeigen lassen:

„Mein Name ist Andreas Bartel. Ich arbeite bei der Volksbank Ulm-Biberach in der Abteilung Organisation im Schwerpunkt Kreditgeschäft. Ich bin seit letztem Jahr auch psychische Ersthelfer.“

Das heißt, Andreas Bartel ist einer von 20 Ansprechpartnern für rund 500 Kollegen, wenn sie seelische Probleme haben. Schon seit rund 25 Jahren ist er Ersthelfer für medizinische Notfälle oder wenn es um Unfälle am Arbeitsplatz geht.

„Als das Thema psychische Ersthelfer in der Bank aufkam, fand ich das sehr spannend. Psychologie, mentale Gesundheit oder auch mentale Stärke ist aus meiner Sicht ein wichtiger Baustein im Gesundheitsmanagement.

Wenn man sich einen Finger schneidet oder sich den Fuß bricht, weiß man in der Regel, was zu tun ist bzw. wo man sich Hilfe holen kann. Aber was macht man, wenn der Kopf nicht mehr mitspielt? Wo kann man sich dann Hilfe holen? Oder was kann man tun, damit es möglichst gar nicht erst so weit kommt?“

Aber psychische Probleme am Arbeitsplatz sind für viele Menschen immer noch ein Tabuthema.

Mit seinen Ersthelfer-Kolleginnen und Kollegen trifft sich Andreas Bartel regelmäßig in Gesprächsgruppen. „Wir tauschen uns regelmäßig in der Gruppe zu aktuellen Fällen aus unterschiedlichen Bereichen aus.

Im Wesentlichen geht es um Belastungen am Arbeitsplatz. Wie gehe ich mit gewissen Dingen um? Wo sind Lösungsansätze?“

Das können erst mal nur persönliche Gespräche auf Kollegenebene sein, aber auch Vermittlungen an einen Psychologen. Bei den Mitarbeitern der Volksbank Ulm-Biberach kommt das Angebot gut an.

„Ich finde das auch toll, dass die Mitarbeiter, die diese psychischen Ersthelfer sind, sensibel reagieren und auch ihr Umfeld so ein bisschen abtasten. Und da finde ich das echt super, dass es so etwas gibt.“

„Generell ist das Thema mittlerweile deutlich größer, als es mal war, weil man ja doch mitbekommen hat, dass es immer wieder Leute gab, die krank geworden sind und es nicht dementsprechend öffentlich gemacht haben. Von dem her finde ich es gut, dass wir dann Ansprechpartner im Haus haben, an die man sich wenden kann.“

Zum Beispiel auch, wenn der Druck durch Kunden zu groß wird, weiß diese Bankkauffrau: „Die Leute sind anstrengender durch diese Schließung der Geschäftsstellen und lassen den Unmut los. Und wenn man selber in keiner guten Balance ist, dann tut man sich natürlich schwerer, das abzuwiegeln.“

Auch bei solchen Problemen sollen die 20 psychischen Ersthelfer der Volksbank Ulm-Biberach gute Dienste leisten. Ob es mehr werden, ist noch offen. Erst mal sollen Erfahrungen gesammelt werden.

Aber Ersthelfer Andreas Bartel ist sich sicher: Auch in anderen Unternehmen werden psychische Ersthelfer gebraucht, weil der Stress an den meisten Arbeitsplätzen immer größer wird.

„Ich denke, dass es schon immer ein Thema ist. Aber in den vergangenen Jahren, aufgrund von unterschiedlichen Ereignissen, auch diese Pandemie, auch den Krieg, den es aktuell gibt, dass hier einfach Themen noch präsenter sind und dadurch auch diese Themen verstärkt auf den Tisch kommen.“ sagt der psychische Ersthelfer Andreas Bartel.

Spannendes Konzept, oder?

Möglichst niederschwellige Angebote machen, das ist ganz wichtig, um Probleme bei der mentalen Gesundheit frühzeitig zu erkennen und ihnen vorzubeugen.

Das findet auch Melanie Vöhringer aus Friedrichshafen. Sie ist Stress- und Stärkencoachin für Unternehmen. Frau Vöhringer, was tun Sie denn persönlich im beruflichen Alltag, um Stress zu vermeiden?

„Ich persönlich schaue immer ganz genau auf, was mir mein Körper signalisiert. Also ich bin mir relativ bewusst, was in mir oder bei mir Stress auslöst selbst.

Und da gibt es ja verschiedene Dinge. Manchmal sind es zu hohe Erwartungen, wenn man denkt, man muss selber perfektionistisch sein. Oder bei manchen ist auch Disharmonie zum Beispiel, also auch Konflikte, die die Menschen stressen, oder wenn man unter Zeitdruck ist. Und da ist es einfach ganz wichtig, auf die körperlichen Signale zu achten und sich immer wieder auch rauszunehmen. Also Ruhezeiten zu nehmen, Dinge zu machen, die in den Entspannungsmodus dann gehen.

Und das kann bei jedem auch was anderes sein. Bei mir ist es oft auch selber, um mich auszuruhen, eine Meditation zu machen oder auch mal ein Mittagsschläfchen zu machen oder rausgehen an die frische Luft.“

Wir haben eben von der Idee von psychischen Ersthelferinnen und Ersthelfern in Unternehmen gehört. Was halten Sie von dieser Idee?

„Also ich finde, es ist eine super Idee. Überall dort, wo das Thema mal einfach präsent gemacht wird. Also das ist schon der erste Punkt, dass es rausgeht aus dieser Tabu-Ecke und hingeht einfach zu, ja, wir sehen euch, wir hören euch, wir bauen eine Beziehung auf. Und wenn da geschulte Mitarbeiter sind, die von Profis dann eben auch geschult werden, die das dann auch weitergeben können an die Mitarbeiter, oft fehlt es ja einfach an Wissen und eben daran, dass sich gar niemand Zeit nimmt für dieses Thema.

Genau die Funktion können ja diese Ersthelferinnen auch übernehmen und gibt den Mitarbeitern dann einfach auch Sicherheit und eben auch, dass sie darüber auch sprechen.“

Haben Sie noch andere Tipps oder Ideen, wie Unternehmen sowas möglichst niederschwellig umsetzen können?

„Ja, es hängt ja sehr, sehr viel von den Führungskräften ab. Und da geht es einfach auch darum, dass auch die sensibilisiert und geschult werden. Auch selber sich immer wieder fragen, wie gehe ich selber denn mit dem Stress um? Weil Stress ist auch ansteckend.

Wenn die Stress vorleben und gestresst sind, dann überträgt sich das auch auf die Mitarbeiter. Und da gibt es dann verschiedene Möglichkeiten. Was ganz stark wirkt, ist, wenn einfach auch stärkenbewusste Aufgaben verteilt werden.

Also, wenn Beziehung aufgebaut wird und die Führungskräfte auch wissen, was können meine Mitarbeiter, welche Aufgaben kann ich denn da auch verteilen an die Mitarbeiter, dann auch, dass es einfach klare Strukturen gibt. Also, wer macht was, auch als Führungskraft regelmäßig Feedback zu geben, sowohl positiv, also auch dort die Waage zu halten. Oft ist es ja so, dass Feedback sehr kritisch angehaucht ist, dass, wenn jemand Feedback kriegt, dann zuckt er gleich irgendwie zusammen.

Und da sollten die Führungskräfte eben auch ganz bewusst darauf achten, dass ich auch positives Feedback, dass ich mal die Mitarbeiter bewusst beobachte beim Richtigmachen und das dann auch kommuniziere und aber auch konstruktiv Verbesserungsvorschläge auch bringe. Also, das sind viele, viele Kleinigkeiten.“

Warum ist es denn so wichtig, dass Unternehmen so niederschwellige Angebote mit Blick auf die mentale Gesundheit machen?

„Sie haben mit Sicherheit eine sehr, sehr viel bessere Motivation der Mitarbeiter, weil sie ihre Mitarbeiter kennen und weil es ist gerade auch in Zeiten des Mitarbeitermarktes, die Mitarbeiter ganz klar auch entscheiden, will ich hier bleiben, will ich hier überhaupt her?

Und es sind Dinge, einfach Mitarbeiter mal zu bekommen und auch Mitarbeiter zu halten und auch mittel- und langfristig zu behalten, weil die Mitarbeiter dadurch eine Loyalität auch zum Unternehmen haben. Und das wirkt sich dann auch einfach auf die Zahlen aus. „

Jetzt ist in vielen Unternehmen der Fokus auf psychische Gesundheit zumindest noch nicht Alltag oder er funktioniert in der Praxis einfach nicht. Was ist denn Ihr Tipp für uns alle, wie wir lernen, mit Stress besser umzugehen?

„Also, das Erste ist einfach, das zum Thema zu machen und sich dann auch einfach selber wichtig zu nehmen, also mindestens genauso wichtig wie alle anderen. Heißt, regelmäßige Auszeiten zu nehmen, Entspannungsübungen auch zwischrein mal zu machen.

Und es gibt auch tolle Übungen, die man direkt am Arbeitsplatz auch machen kann, ob das kurzfristige Atemübungen sind, um mal ein bisschen wieder runterzufahren, dass man auch immer genügend trinkt, also auch das nicht vergisst und kleine Snacks, gute Snacks isst und dass man auch immer mal wieder auch das Handy weglegt.

Das ist so ein Klassiker, dass ich auch immer mal wieder nicht erreichbar bin, dass es auch okay ist, dass ich nicht rund um die Uhr erreichbar bin und mir dann in diesen Zeiten einfach Erholung gönnen und Kraft schöpfen wieder.“

Also, fokussieren eigentlich. „Ja, auch.“ sagt Melanie Vöhringer, Stress- und Stärkencoachin aus Friedrichshafen.

Frau Vöhringer, vielen Dank für das Gespräch. „Sehr gerne.“

Das war es mit SWR 1 Arbeitsplatz – Alles was im Job bewegt. Ich bin Alexander Winkler, danke euch fürs Zuhören, bis zum nächsten Mal.

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